Universum History, „Unser Österreich“, 23. Oktober 2018, 21:05, ORF 2

Unser Österreich: Das Burgenland – Ein Grenzfall

Seit 1921 gehört das Burgenland zu Österreich. Für die Österreicher und Östereicherinnen heute selbstverständlich – doch als jüngstes Bundesland musste das Burgenland lange um seine Identität ringen. Universum History zeigt mit der neuesten Folge der Reihe „Unser Österreich“ am Beispiel der Familie Träger aus Pinkafeld, wie im Lauf der Geschichte aus Ungarn überzeugte Burgenländer und Burgenländerinnen wurden.

Das wollte er nicht, dass das Burgenland zu Österreich kommt. Das hat er als Raub gesehen“. Nora Fleckl wird emotional, wenn sie über Ihren Vorfahren Ernest „Ernö“ Träger spricht. Mit ihm teilt sie die Leidenschaft für die ungarische Kultur und Sprache – und ist doch froh, auf der für sie „richtigen“ Seite der Grenze gelandet zu sein.

Der ehrgeizige Beamte Ernö Träger – dargestellt von Thomas Mraz – ist die Hauptfigur der neuesten Folge von „Unser Österreich“, das sich mit dem Werden des Burgenlandes auseinandersetzt. Ernö, der Spross einer Bäckerdynastie aus Pinkafeld – ungarisch Pinkafö – wurde, ohne es selbst zu wollen, zu einem einer der Väter des Burgenlandes. Die Trägers stehen im Mittelpunkt des Films von Regisseur Fritz Kalteis – und mit ihnen die Bäckerei und Konditorei, die seit 1780 besteht. „Wenn die Mauern erzählen könnten, dann gäbe es da sehr, sehr viel Geschichte“, sagt Juniorchefin Veronika Träger.


„Es gibt keinen Burgenländer, keine Burgenländerin“

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sollte der deutschsprachige Teil Westungarns zu Österreich kommen. Doch Ernö Träger, der sich immer als ungarischer Staatsangehöriger verstand, will den „Anschluss“ an Österreich nicht akzeptieren – und zieht doch als ungarischer Kommissär jene Grenzen, die das Burgenland bis heute von Ungarn trennt.
1921 wird aus Deutsch-Westungarn Österreich jüngstes Bundesland.
285.000 Einwohner und Einwohnerinnen hat das Burgenland nun. Doch darüber hinaus verbindet die Menschen der pannonischen Weite im Norden noch wenig mit jenen des waldigen Hügellandes im Süden – auch in Pinkafeld. „Wir sind mentalitätsmäßig eher der Steiermark angegliedert“, sagt Seniorchef Reinhard Träger. „Und rund um den Neusiedlersee sind sie mehr nach Niederösterreich orientiert.“ Der Historiker Herbert Brettl bringt die Problematik des jungen Landes auf den Punkt: „Zunächst einmal gibt es keinen Burgenländer und keine Burgenländerin. Hier war seit 1000 Jahren Westungarn, in dem Menschen verschiedenster Sprachen und Religionen leben. Es gibt keine Einheit.“

Der Eiserne Vorhang als Identitätsstifter

Tatsächlich wird es noch Jahrzehnte dauern, bis aus der bunten Mischung aus Deutschen, Kroaten, Ungarn, Juden und Roma ein gemeinsames Ganzes erwächst. Kurioserweise ist es gerade die Grenzlage am Eisernen Vorhang, die die Burgenländern und Burgenländerinnen langsam zusammenrücken lässt, ohne dabei die Vielfalt der Volksgruppen im Burgenland zu gefährden. „Es gibt eine Pluralität“, sagt die Historikerin Ursula Mindler-Steiner, „und mit der wächst man hier ganz einfach auf.“

„…da gehen sie noch barfuß!?“

Aus dem Armenhaus Österreichs, das das Burgenland lange Zeit war, ist in den vergangenen Jahrzehnten ein pulsierender Lebensraum, aus dem „Grenzfall“ Burgenland ein Erfolgsprojekt geworden. Reinhard Träger ist heute stolz auf sein Heimatland: „Ich habe immer gesagt, dass ich aus dem Burgenland bin. Die längste Zeit hat der Westen von Österreich ja geglaubt, im Burgenland, da gehen sie noch barfuß. Aber die merken jetzt auch: Da ist es super zum Leben.“

Ernö Träger, Hauptfigur der neuen Dokumentation von Fritz Kalteis, wird seine Heimat dagegen nicht mehr wieder sehen. Er macht im Ungarn der Zwischenkriegszeit Karriere, verliert unter den Kommunisten alles und versucht nach dem Volksaufstand in Ungarn 1956 zurück in Burgenland zu kommen – vergeblich. Für Regisseur Kalteis macht diese Ambivalenz den Reiz der Geschichte aus: „Ernö Träger zeigt uns das Burgenland von der anderen Seite. Er hat es immer nur als Teil Ungarns gesehen. Als er es schließlich doch als Teil Österreich akzeptiert, ist es für ihn zu spät.“

Neue Grenzen?

Die Grenzen, die Ernö Träger einst gezogen hat, bestehen bis heute. Und doch sind das Burgenland und Ungarn in der Europäischen Union so eng zusammengerückt wie seit 100 Jahren nicht mehr. Würden nun wieder Zäune entstehen, wäre das ein herber Rückschlag, auch für die Trägers.

Authentisches Burgenland

Natürlich ist das Burgenland auch Kulisse für die zahlreichen Spielszenen, die den Film lebendig und spannend machen. So bot das Dorfmuseum von Mönchhof die perfekten Schauplätze für das Pinkafeld vor 100 Jahren. Neben Thomas Mraz, bekannt aus der ORF-Serie Vorstadtweiber, verleihen einige Burgenländische Schauspieler dem Film die nötige Authentizität: Neben Eva Marold als Ernö Trägers Mutter drücken vor allem Reini Moritz als Arwed Träger und Christoph Krutzler als Pinkafelder Kaufmann dem Film ihren Stempel auf.
Herbert Brettl und Ursula Mindler Steiner verleihen dem Film als Historiker ihre Expertise.
„Der größte Glücksfall für den Film ist aber zweifelsohne die Familie Träger“, betont Sendungschef Thomas Matzek. „Sie hat uns erlaubt, tief in ihre eigene Geschichte einzutauchen, in der sich alle großen Ideologien des 20. Jahrhunderts widerspiegeln. Somit gewinnen wir einen Einblick, der absolut einzigartig ist. “

Die Koproduktion von Metafilm GmbH, ORF und dem Bildungsministerium (BMBF) wurde gefördert von Burgenland Kultur, Land Burgenland, Burgenland Tourismus und dem Zukunfsfonds Austria.

UNIVERSUM HISTORY – UNSER ÖSTERREICH
Das Burgenland – Ein Grenzfall

Buch und Regie: Fritz Kalteis
Kamera: Reinhold Ogris, Franz Riess
Schnitt: Martin Biribauer
Musik: Kurt Adametz
Darsteller und Darstellerinnen
Thomas Mraz (Ernö Träger)
Reinhold Moritz (Arwed Träger)
Elfriede Schüsseleder (Aranka Träger)
Christoph Krutzler (Greißler)
Rainer Spechtl (Bauer)
u.v.a.